Beauty & The Nerd

1. Februar 2013 Gesine Aktuelles

Hirnmasse trifft Traummaße

Nein, das ist nicht der Titel des von Nerd Dreams für 2014 geplanten Kalenders, das ist das Motto der neuen Scripted-Reality Serie „Beauty and the Nerd“, die heute Abend ihre bizarre Premiere im Privatfernsehen hatte.

Ich muss schon sagen, Pro7 hat da echt was aufgefahren.
Sowohl den Masken- als auch den Kostümbildnern möchte ich meine tiefste Hochachtung aussprechen. Die haben nämlich wirklich an alles gedacht und das sogar auf beiden Seiten: Detailreich und phantasievoll wurde jede einzelne der sogenannten Schönheiten und jeder einzelne der netten jungen Männer, die als Nerds herhalten mussten, ausstaffiert.

Bei der ersten Challenge waren die Socken weiß und die schwarzen Anzughosen stets 7cm zu kurz. Man merkt, die Redaktion hatte im Vorfeld fleißig recherchiert, so wurde auch an sämtlichen weiteren szenetypischen Accessoires nicht gespart: Karohemden, Fliegen, Ökosandalen, Kniestrümpfe, Cargowesten und, mein persönliches Highlight: Sogar eine ballonseidene Trainingsjacke in 80er Jahre Farbkombi war zu sehen. Da es zehn Männer einzukleiden gab,  konnte man sich so richtig austoben und jedes einzelne Klischee bedienen, so dass am Ende tatsächlich jeder Nerd einen hipsterartigen, individuellen Touch hatte. Das mit der Individualität war den Beauties leider nicht vergönnt…

Als ich mich mental auf die gut 2h Unterschichtenfernsehen am Abend vorbereitete (zum Glück in guter Gesellschaft, siehe Bild!), war ich eigentlich darauf gefasst, ein übles Nerdgebashe mitzuerleben, wie es bei… wie hieß das noch gleich… das Model und der Freak, gewesen ist. Das Format hatte mich derartig betroffen gemacht, dass ich, obwohl im Dienste der Forschung, nicht in der Lage war, mir mehr als eine 3/4 Folge anzusehen.

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Aber weit gefehlt! Ha! Ja, die Serie gereicht beiden Parteien nicht zum Vorteil und kein Geld der Welt ist es wert, sich zur fremdschämenhaftiger Belustigung des abgestumpften Fernsehpublikums derartig zum Deppen zu machen, aber – die Nerds (und denen galt, voreingenommen wie ich bin, meine volle Sympathie, sorry Beauties) kamen besser weg. Viel besser. Oh ja.

Meine Favorit_innen (dies soll übrigens, wie mir kürzlich mitgeteilt wurde, die genderkorrekte Schreibweise sein) sind eindeutig Kimberly und Martina. Erinnert Ihr Euch? Martina war die Ghettotusse, die in einem Anfall pseudointellektuellen Analysewahns treffend feststellte:
Das war Zuckerglas, das geht sonst nicht ohne bluten.“ Kimberly war die überblonde wasserstoffperoxidgebleichte (hätte sie daran bloß nicht so viel geschnüffelt) Blimse, die versucht hat, eine Mischung aus der Katzenberger und Verona Pooth, aka Verona Feldbusch darzustellen. „Ich finds fair, dass er auf dem Boden schläft, weil, ich bin ja ne Lady.“ Mit allem mir innewohnenden Mitgefühl hoffe ich für die beiden, dass sie einfach nur gute Schauspieler_innen sind. Ganz sicher bin ich mir aber nicht.

Das Nerds = hässlich, aber klug und Beauties = schön, aber dumm Schema wurde konsequent durchgezogen.
Und wie dumm die waren, es war zum weinen. Schon klar, alles gestellt usw., weiß ich auch. Aber was für ein Frauenbild will uns der Sender damit eigentlich vermitteln? Verdammte Sch***e, aber ich bin lieber Nerd, als Frau, jedenfalls nach dieser Folge.
In welcher Filmreihe heißt eine Hauptfigur Anakin Skywalker?“ – „Ich sag mal einfach… Herr der Ringe.
In welchem Land wurde Herr der Ringe gedreht?“ – „England„.
Im Hintergrund hört man dann, ich glaube es war Martin, stöhnen: „So viele Themengebiete, so viele Details und wir hatten nur eine Woche zur Vorbereitung!„. OMG. Im Gegensatz zu den Schönheiten hatten die Freaks ihre Hausaufgaben gemacht. Fragen nach Eyeliner, French Nails und der Hauptdarstellerin aus Sex and the City wurden mit täuschend echter Leichtigkeit beantwortet. Was sagt uns das? Nerds sind lernfähig. Das ist nichts Neues. Frauen offensichtlich nicht. Dies so darzustellen, macht traurig.

Pro7 nennt das Konstrukt ein ‚Sozialexperiment‘, beide Seiten ’sollen voneinander lernen‘. Aha. So, wie es heute angefangen hat, würde ich sagen, dass wir dann am Ende „attraktive“ im Sinne von „den gesellschaftlichen Schönheitsvorgaben angepasste“ Nerds dabei rausbekommen und Frauen, die zwar immer noch im Sinne der gesellschaftlichen Vorgaben attraktiv, aber leider auch dumm sind. Sex sells und je mehr nacktes Fleisch, umso besser, das erhöht die Quote. Deswegen werden die armen Häschen auch in der letzten Folge noch auf Highheels herumstöckeln und zu jeder passenden Situation unpassend angezogen sein (bauchfreies Pfadfinderkostüm beim Zelten? Schulmädchenuniform bei der Fummel-Quest?) und dumme Sprüche von sich geben müssen.

Insgesamt war die Sendung aber eines noch mehr als verstörend: Sie war entsetzlich langweilig. Wow, im ernst, das war so langweilig. Die James Bond Quest am Anfang – einfallslos. Dann das Rumgegrabsche in den dixiekloartigen bunten Kästen – uralt, schon -zigmal gesehen. Kanufahren? Nichts Spannendes passiert und die zu offensichtlich gestellte Szene mit der Spinne im Zelt – nun ja, wäre ich nicht im Dienste der Wissenschaft gewesen, wäre das allerspätestens der Zeitpunkt gewesen, die Flimmerkiste auszuschalten.

Wie viel Reality wohl an so einer Scripted Reality dran ist?
Das ist die Frage, die mich seit dem nicht mehr los lässt.
Ich bin schöner als meine Intelligenz.
Man muss von jedem etwas haben: Hübsch sein, gut auszusehen…
Ich mag alles, was schön ist; Mode, Schuhe, Nagellack, Möpse.
Meine besonderen Talente sind……………..modeln.
Ein Fall für die #Aufschrei Debatte, aber sowas von. Wenn Frauen sich schon selbst derartig ins Abseits manövrieren und zum Gespött der Gesellschaft machen, wundert mich überhaupt nichts mehr – und ich fürchte, das kommt auch im echten Leben leider viel zu häufig vor…

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Tags: #Aufschrei, Aktuelles, Beauty & The Nerd, Das Model und der Freak, Feminismus, Fernsehen, Privatfernsehen, Pro7, Scripted Reality, Unterschichten TV

Gesine

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