Marvel – Eine Geschichte vom Comic zum Film

Ein kleiner Abriss über Comicverfilmungen wird schnell zu einer Abhandlung in Romanlänge, wenn man nicht aufpasst. Vor allem deshalb, weil bei vielen Filmen ihr Panel-Ursprung gar nicht mehr so bewusst ist. Von Die Addams Family über Road to Perdition bis hin zu Men in Black – alles wurzelt im Comic. Ganz zu schweigen von den unzähligen Animes, die jährlich zu Live Action Filmen verarbeitet werden. Und wenn man dann auch noch Zeichentrickfilme, die auf Comics basieren, mit einbringt… ihr ahnt es, das Feld ist schier unendlich.

Marvel Logo

Also muss man sich beschränken. Und welches Subthema bietet sich im Augenblick besser an, als Comicverfilmungen – und zwar aus dem Marvel-Universum? Dass Comicverfilmungen augenblicklich in so ungewohnt starkem Maße am Boomen sind, ist in erster Linie Verdienst der Marvel Comics respektive der ausführenden Marvel Studios, die mit dem Marvel Cinematic Universe eine große, zusammenhängende Filmwelt erschaffen, in der die einzelnen Handlungen nicht unabhängig voneinander verlaufen, sondern auf gemeinsame Ziele zusteuern und fest miteinander verleimt sind.

Doch wie nahm der ganze Superheldenradau auf Leinwand und Mattscheibe seinen Anfang? Vorreiter waren nicht Marvel, sondern DC, die bereits in den 40ern vor allem mit Superman und Batman von sich reden machten. Aber halt, ganz falsche Ecke. Also: Marvel warteten 1944 lediglich mit einer sehr losen Captain America-Adaption auf.

Witzigerweise erschien im Jahr 1973 die nicht genehmigte türkische Low Budget-Produktion 3 dev adam, in der Captain America und der Wrestler Santo der türkischen Polizei unter die Arme greifen müssen, weil der gewissenlose Kunsträuber (!) Spiderman die Straßen Istanbuls unsicher macht und auch vor brutalem Mord und menschenverachtender Misshandlung nicht zurückschreckt. Das Ganze war und ist derart… speziell, dass wir auf den Trailer an dieser Stelle aus purer Irritation verzichten.

Dann begann die goldene Ära der Marvel-Serien. Vier Jahre lang wurde Bill Bixby wütend und verwandelte sich in einen grün angemalten Lou Ferrigno, der als Der unglaubliche Hulk Stühle kaputt machte, Unrecht beseitigte und Auftritte in Spielfilmlänge bekam. Nach 1982 wurde die Geschichte in Form einer Zeichentrickserie fortgesetzt. Die Art und Weise, wie der Starwrestler den grünen Zornkoloss mimte, ist bis heute legendär.
Weiter ging es mit Spider-Man. Der Spinnenmann bekam in den späten 70ern eine Serie spendiert, die sich mit 14 60-minütigen Folgen über zwei Staffeln erstreckte. In Europa kriegte man die Serie aber nicht zu sehen, stattdessen wurden einfach der Pilotfilm und Zusammenschnitte der ersten und der letzten beiden Folgen als eigenständige Filme getarnt und so ausgestrahlt. Aus diesem Grund lassen wir Peter Parkers unbeholfenen Ausflug auch noch als „Filme“ durchgehen. In den 90ern wurde dieser Zusammenschnitt recht häufig bei uns ausgestrahlt, der ein oder andere mag sich vielleicht noch daran erinnern, wie ein tapsiger Schauspieler in schlecht sitzendem Kostüm so zu tun versucht, als krabble er Wände empor.

Nach drei Ausflügen in die Welt von Conan der Barbar galt der nächste nennenswerte Output einem echten Exoten aus den zahlreichen Marvel-Welten – Howard the Duck (im Deutschen wie gewohnt verschlimmbessert zu Howard – Ein tierischer Held). Eine etwas abgeschwächte Version des Zigarre rauchenden Rüpel-Erpels, der ungewollt von seinem Heimatplaneten auf die Erde befördert wird und am Ende gegen einen ebenfalls außerirdischen Dämon antreten muss. Obwohl der Film seinerzeit für ganze sieben Goldene Himbeeren nominiert wurde, ist er auch heute noch ganz gut guckbar, wenn sich mit dem recht albernen Grundton anfreunden kann und ein Herz für Sonderbares hat. Im Gegenzug gibt’s liebevoll handgemachte Effekte und Kreaturen zu bewundern.

Untypisch, da noch weniger jugendfrei ging es 1989 weiter, als niemand Geringeres als die Stockholmer „Schauspiel“legende Dolph Lundgren in die Rolle von The Punisher Frank Castle schlüpfte. Zwei von drei Fassungen der Trash-Gurke sind bei uns bis heute indiziert. Ein Jahr später gab es schon wieder den Versuch, Captain America zu verfilmen. Zurecht landete das Produkt direkt in den Videotheken und zurecht erinnert sich niemand mehr daran. Ähnlich verhält es sich mit dem ersten Realfilm-Auftritt der Fantastic Four aus dem Jahre 1994. 1996 erschien dann die auch heute noch halbwegs bekannte X-Men-Verfilmung, die mit Generation X betitelt wurde; vermutlich, um die sozialkritische Note hervorzuheben. Der Film sollte eigentlich Startschuss einer Serie sein, scheiterte letztlich aber an seinem eigenen Budget, das deutlich geringer als die Ambitionen von Regisseur Jack Sholder ausgefallen ist.
Abermals mit gutem Grund verdrängt, aber absolut einer Erwähnung bedürftig ist der Knaller Nick Fury: Agent of S.H.I.E.L.D. bzw. Agent Nick Fury – Einsatz in Berlin. Vor Samuel L. Jackson spielte niemand geringeres als Baywatch-Star David Hasselhoff den Einäugigen S.H.I.E.L.D.-Helden. Gemeinsam mit einer Telepathin reist Fury nach Berlin, um gegen die finstere Organisation HYDRA zu kämpfen, die alte Nazi-Träume wahr werden lassen will und auch im aktuellen Film-Universum von Marvel eine Rolle spielt. Infiziert mit dem Gift eines kolumbianischen Baumfrosches (!) hat Nick nur 48 Stunden, um den schweren Fall zu lösen und New York City vor einer biologischen Massenvernichtungswaffe zu bewahren. Mitgeteilt wird ihm dies von einem Cyborg. Mehr muss wohl nicht erzählt werden, um klarzumachen, dass der Film sicherlich auch, aber keineswegs ausschließlich wegen David Hasselhoffs begrenztem Talent eine Bauchlandung hinlegte.


Capeträger Heute

Alles, was danach kam, ist noch nicht ergraute Geschichte, sondern weitestgehend bekannt. Wesley Snipes wurde dreimal zum vampirischen Vampirjäger Blade, Die X-Men wurden durch Bryan Singer überraschend lebendig ins Leben gerufen (wodurch der aktuelle Comicboom überhaupt erst ausgelöst wurde) und im dritten Teil durch Brett Ratner ebenso überraschend katastrophal zu Grabe getragen, nur um 2011 wie ein Phoenix in Form von X-Men: Erste Entscheidung aus der Asche zu steigen, wo die Mutanten als Halbstarke im Kalten Krieg brillierten. Das mittelmäßige, aber kurzweilige Soloabenteuer X-Men Origins: Wolverine und dessen aktuell im Kino laufender zweiter Teil folgten.
Richtige Superhelden-Euphorie brach aber erst durch Spider-Man aus, der von Comic-Spezi Sam Raimi inszeniert wurde und es irgendwie schaffte, Tobey Maguire als perfekten Peter Parker zu besetzen, bis auch diese Reihe aufgrund von Studiowünschen im dritten Teil vermurkst und abgebrochen wurde, um sogleich von Marc Web als The Amazing Spider-Man reinkarniert zu werden – weniger markant, schlechter gecastet, aber deutlich zeitgemäßer, was auch immer das heißen mag. Mäßig erfolgreich liefen die beiden leichtfüßigen The Fantastic Four-Verfilmungen von 2005 und 2007. Nicolas Cage als Ghost Rider war einmal unerträglich und einmal unnötig, aber immerhin selbstironisch, Daredevil und Electra sind nicht mal eine Fußnote wert und mit Iron Man (trotz vergessenswertem zweiten Teil) kam Robert Downey Jr. zu dem Ruhm zurück, den er einmal hatte und nun wieder hat. Dann gab’s noch einen weiteren Versuch, den Punisher zurück ins Kino zu holen, indem man Thomas Jane das Totenkopf-Shirt anzog und einen furchtbar biederen, langweiligen Streifen mit John Travolta als Fiesling drehte, der zu nichts gut gewesen wäre, wenn da nicht das viel spaßigere, aber leider total untergegangene Sequel Punisher: War Zone wäre – von einer deutschen Regisseurin im ungehaltenen Stil des ersten Burton-Batmans gehalten.
Neben der Überraschung Kick-Ass, die aber nicht zum klassischen Marvel-Kanon gehört, folgten natürlich noch die etwas generisch geratenen Rächer-Wegbereiter Thor: The Dark World und Captain America – The First Avenger, bis der große Ensemble-Film Marvel’s The Avengers mit allen bisher eingeführten bedeutenden Marvelköpfen unter der Leitung von Nerdgott von Josh Whedon in die Kinos kam und tatsächlich alles in den Schatten stellen konnte, was das Marvel Cinematic Universe bisher so hervorgebracht hatte.

Seit jeher war Marvel-Papa Stan Lee in seiner Produzentenrolle tätig. Seine berühmten Cameo-Auftritte in den Filmen begannen aber erst mit X-Men, wo er als Hot-Dog-Verkäufer zu sehen war.

So viel zum momentanen Stand. Und was folgt?

Diesen Monat läuft Kick-Ass 2 an – jüngst sorgte Jim Carrey für Aufsehen, der im Film eine große Rolle einnimmt, indem er sich von dem Streifen distanzierte, weil er mit der expliziten Gewaltdarstellung nicht einverstanden sei.
Mit Thor: The Dark World wird Marvel Phase Two (Beginnend mit Iron Man 3) fortgeführt, indem der Donnergott 12 Monate nach den Geschehnissen in The Avengers gegen den Herrscher der Dunklen Elfen antritt, wobei die Neun Reiche und der Rest des Universums auf Messers Schneide stehen. Am 31.10.2013 betritt der pathetische Blondschopf wieder unsere Leinwände.

Ein gutes halbes Jahr darauf, nämlich am 01.05.2014 heißt es zum zweiten Mal Vorhang auf für Captain America. In seinem zweiten Soloabenteuer ringt der Anachronismus in patriotischen Farben immer noch mit den Merkwürdigkeiten der Moderne, da er ja ein paar Jahrzehnte im Eis geruht hat. Gemeinsam mit Black Widow geht’s gegen einen neuen Feind mitten in Washington, D.C. – damit ist Captain America 2: The Winter Soldier der erste Marvel-Film, der direkt an die Geschehnisse in The Avengers anknüpft. Iron Man 3 mal ausgenommen, der ja nur am Rande mit ein paar Tony-Stark-Panikattacken Bezug nimmt.
Apropos The Avengers und anknüpfen: Mit Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D. bekommt die alteingesessene Organisation, die das Rächerteam unter der Leitung von Nick Fury zusammenführte, eine eigene Serie. Joss Whedon ist fest im Entstehungsprozess integriert, zum Beispiel wird er die Regie des Piloten übernehmen und mit seinem Bruder das Drehbuch schreiben. Wie es bei Wheon-Serien guter Brauch ist, werden auch allerhand Gesichter auftauchen, die aus seinen früheren Produktionen bekannt sind.

Dann wird es noch mal richtig interessant im cineastischen Maveluniversum. Mit Guardians of the Galaxy betritt ein weiteres Helden-Ensemble die Bildfläche. Ausnahmeregisseur James Gunn (bekannt durch Slither mit Firefly-Star Nathan Fillion und die brutale Superhelden-Groteske Super) wird den Film inszenieren, der in erster Linie deshalb bemerkenswert ist, weil er anstatt der klassischen Superhelden eine Truppe thematisiert, die aus folgenden Gestalten besteht: Einem sprechenden Waschbären, einem Pflanzenwesen, der Adoptivtochter von Thanos (eingeführt als Strippenzieher in The Avengers) und dem erklärten Erzfeind von Thanos: Drax the Destroyer. Dazu noch ein ehemaliger Amerikanischer Astronaut mit Superkräften. Gemeinsam stellt das Team eine Art galaktische Polizeitruppe dar. Dass Marvel durchaus ambitionierte Pläne mit der schrägen Idee hat, verrät nicht zuletzt das illustre Aufgebot an Schauspielern: Namen wie Benicio del Toro und John C. Reilly finden sich im Cast.

Guardians of the Galaxy

Und dann wird Phase 2 auch schon besiegelt mit dem zweiten Einsatz der Avengers. Seit kurzem ist bekannt, dass der Titel des Filmes The Avengers: Age of Ultron lauten wird. Zum Glück ist wieder Joss Whedon für die Reunion zuständig. Bekannt ist bisher nur, dass der titelgebende Ultron nicht wie in den Comics ein von Ant-Man geschaffener Roboter sein wird, sondern eine neue Ursprungsgeschichte auf den Leib geschrieben bekommt. Dass er bösartig ist und die Absicht hegt, der Menschheit den Garaus zu machen, wird aber vermutlich nicht allzu stark abgeändert. Ganz spekulativ: Tony Stark wird bei der Entstehung des Antagonisten seine Finger gewiss im Spiel gehabt haben. Starttermin wird voraussichtlich der April des Jahres 2015 sein. Entweder hier oder in Guardians of the Galaxy wird auch Vin Diesel eine tragende Rolle einnehmen.
Ant-Man ist damit aber nicht abgeschrieben – der nach dem zweiten Auftritt der Avengers geplante Film ist nun (nach vielen, vielen Versuchen) ganz ihm gewidmet und ebenfalls für 2015 angesetzt. Shaun of the Dead-, Hot Fuzz– und auch The World’s End-Regisseur Edgar Wright kümmert sich um den Helden und wird vermutlich dafür sorgen, dass der seine Größe verändernde Ameisen-Mann kein allzu ernstes Abenteuer erleben wird. Auch wenn er bereits versicherte, dass er keinen Klamauk drehen werde, sondern beabsichtige, sich am etwas dezenteren Humor eines Iron Man zu versuchen.
Abseits vom großen zusammenhängenden Story-Geflecht gibt’s nächstes Jahr auch noch The Amazing Spider-Man 2, wo die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft gegen Electro antreten muss. Für 2016 und 2017 sind schon weitere Spidey-Abenteuer angesetzt.
Auch X-Men: Days of the Future Past von Bryan Singer erscheint 2014 und wird die junge X-Men-Generation mit den alten Hasen aus der vorherigen X-Men-Trilogie zusammenführen.
Außerdem wird The Fantastic Four neugestartet – unter Federführung des Chornicle-Schöpfers Josh Trank.

Im Augen behalten sollte man auch die kürzlich angekündigte Verfilmung von X-Force. Dies ist eine Rabauken-Truppe, die als eine Art deutlich aggressivere X-Men angelegt wurde und deren Mitglieder Cable, Cannonball, Domino, Warpath und Deadpool (Der übrigens ebenfalls noch seinen Film bekommen wird) sind. Im Laufe der Comic-Geschichten stieß unter anderem noch Wolverine dazu. Gerade letzteres lässt darauf hoffen, dass die Geschichte in das bestehende X-Men-Universum eingebunden wird, woraufhin ein ähnlich verwachsenes Film-Netzwerk entstehen könnte, wie es ja schon mit den erfolgreichen Avengers der Fall ist.

Marvel hat also noch einige heiße Eisen im Feuer.

Auf welche Filme freut Ihr Euch am meisten, welche haben Euch bisher am besten gefallen?
Oder geht Euch der nicht enden wollende Superhelden-Hype gewaltig auf die Nerven?

Dies ist ein Gastbeitrag von scififilme.net.

 

Tags: Comics, DC, Marvel

Martin Richard Ramm

Im März 2012 hatte ich ein (ziemlich spontanes) Bewerbungsgespräch bei getDigital.de. Ein paar euphorische Monologe über Filme später war ich stolzer Teil des Teams. Seither bin ich als Aushilfe im Online Marketing tätig – und hin und wieder auch in diversen anderen Bereichen. Wer mich zu einer Runde Monopoly, einem exotischen Chips-Gelage oder Gesprächen über Bärte einladen möchte, darf sich gerne in den Kommentaren bewerben. Ansonsten bin ich Rollenspiel-Amateur, ein klitzekleines bisschen japanophil und betrachte Retrospiele mit einem solch verklärten Blick, dass mir Software neueren Datums kaum noch Freude macht.

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